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egen Hass im Netz sind wir nicht wehrlos. Es gibt eine Menge Dinge, die man tun kann. Countern ist eine Möglichkeit. Hier ein paar grundlegende Informationen und Strategien zum Countern:
Ein wichtiger Punkt zuerst: Realistisch einschätzen, was geht. Es können und sollen nicht alle Menschen im Internet von der eigenen Meinung überzeugt werden. Auch können nicht alle zu wertschätzendem Umgang miteinander bewegen werden. Denn im Netz tummeln sich viele Menschen, die schlicht auf Stress aus sind (zum Beispiel Trolle). Da ist ein gewisses Maß an Selbstschutz angebracht. Nicht jeder Hasskommentar ist es wert, sich daran völlig aufzureiben. Um nicht zu verzweifeln, kann dann der Austausch mit Gleichgesinnten förderlich sein, zum Beispiel in der Facebookgruppe #ichbinhier. Nutzer*innen, die nur auf Hass und Krawall aus sind, sollten geblockt, gemeldet und gegebenenfalls angezeigt werden.
Respektvoll aufeinander zugehen: Auch dann, wenn eine Person durch rüpelhafte Kommentare auffällt, kann es helfen, diese Person darauf anzusprechen und den gegenseitigen Respekt in der Debatte einzufordern. Der Hinweis “was du gerade schreibst, ist verletzend und bringt die Debatte nicht voran. Bitte trage deine Argumente sachlich und ohne Beleidigungen vor, damit wir darüber sprechen können” kann helfen und dazu führen, dass eine Diskussion auf ein sachliches Niveau gebracht werden kann.
Solidarisch mit anderen sein: Wenn du selbst nicht von Hate Speech betroffen bist, aber siehst, wie in einer Debatte unfair mit anderen Personen umgegangen wird, greife ein und zeige den Diskutant*innen, dass sie nicht allein dastehen. Schon ein einzelner positiver Kommentar kann Mut machen, weiter zu diskutieren.
Generell mal Positives posten: Oft wird erst dann kommentiert, wenn Menschen gegen etwas sind, oder sie einen anderen Standpunkt vertreten. Dennoch ist oft auch einfach Lob und Anerkennung dort angebracht, wo es Menschen verdient haben. Das nimmt möglichen Hater*innen von vornherein den Wind aus den Segeln und fördert eine Anerkennungskultur, geprägt von gegenseitiger Wertschätzung im Netz.
Hasskommentare dekonstruieren: Oft ist der Hass scher zu durchschauen. Um Hasskommentare zu entlarven, kann nachgefragt werden: “Du behauptest, dass alle Geflüchteten ein teures Handy haben. Woher hast du diese Information und wie kommt die Verallgemeinerung zu Stande?” Oder: “Meinst du wirklich, dass es richtig ist, Geflüchtete mit Waffengewalt an der Einreise zu hindern? Das bedeutet, dass Menschen erschossen werden können…” Im Grunde geht es bei der Dekonstruktion von Hasskommentaren darum, aufzuzeigen, was tatsächlich mit dem Geschriebenen gemeint ist und welche Konsequenzen daraus billigend in Kauf genommen werden.
Hass in Kommentaren ansprechen: Menschen, die Hasskommentare schreiben, muss gesagt werden, dass sie gerade gegen Umgangsformen, Netiquette, aber auch demokratische Prinzipien, wie die Achtung der Menschenwürde, verstoßen. Das wird wenig Wirkung auf diese selbst haben, aber Mitlesende sehen, dass es Gegenstimmen gibt und sie sind gegebenenfalls gewarnt.
Kommentare melden: Viele Plattformen, wie Facebook und Twitter, bieten die Funktion an, Hasskommentare zu melden. Das führt nicht immer zum gewünschten Erfolg (Löschen, Blockieren), ist aber ein gutes Mittel, um letztlich den Firmen, die die Plattformen betreiben, zu zeigen, dass man nicht mit den Inhalten einverstanden ist. Je mehr Hasskommentare gemeldet werden, desto eher steigt das Problembewusstsein bei den Betreibern.
Anzeige erstatten: Viele Kommentare erfüllen Straftatbestände! Wenn zu Gewalt aufgerufen wird und/oder volksverhetzende Inhalte verbreitet werden (siehe Informationen – Was ist Hate Speech?) ist eine Anzeige bei der Polizei ein geeignetes Mittel, dagegen vorzugehen. Strafverfolgungsbehörden haben weitreichende Befugnisse, um beispielsweise den Klarnamen von Hater*innen über die IP-Adresse und den Provider ermitteln zu können. Kontakt zur Polizei kann auch über das Internet hergestellt werden (unbedingt die Hinweise der Polizei beachten!).
Eigene Echokammer vermeiden: Wird jeder Kommentar und die dazugehörigen Nutzer*innen sofort geblockt, wächst die Gefahr, selbst in einer eigenen Echokammer den Blick auf das große Ganze zu verlieren und auszublenden, dass es auch andere Meinungen gibt. Demokratie lebt von der Kontroverse, dem Diskurs und auch dem Aushalten und Akzeptieren anderer Haltungen und Ansichten. (Wie entstehen Echokammern? Die Rolle von Algorithmen)
Ignorieren: Kommentare, die darauf ausgerichtet sind, eine Debatte nur zu stören, können ignoriert werden. Besonders Trolle motiviert es, zu schocken, zu nerven und zu stören. Ihr Ziel ist dann erreicht, wenn auf den Köder eingegangen wird. Dennoch ist es sinnvoll, die Troll-Strategie zu benennen, damit andere Nutzer*innen vor ihnen gewarnt werden.
Humor hilft: Humor kann brenzlige Situationen im Kommentarbereich entschärfen und zu einer Versachlichung der Debatte führen. Mit Humor und auch Ironie können absurde Argumente entkräftet werden und über das positive Gefühl, das durch gemeinsames Schmunzeln hervorgerufen wird, können auch Hater*innen dazu animiert werden, auf Hasskommentare zu verzichten. Letztlich ist Humor ein geeignetes Mittel, um emotionale Distanz zu dem Hass und dem verletzenden Mist im Netz zu schaffen. Wichtig: Der Humor selbst darf nicht verletzend gegenüber anderen Menschen sein. Vielmehr sollte der Inhalt des Postings auf die Schippe genommen werden.
Faktencheck: Oft werden in Kommentaren aufgegriffene, ausgedachte und falsche Behauptungen aufgestellt. Die Liste ist lang, von Fake-News bis zu Verschwörungstheorien gibt es viele Inhalte, die krude Behauptungen sind und eben keine Fakten. Hater*innen haben es leicht: Sie können viel behaupten, beweisen jedoch wenig. Sie halten sich an keine Regeln. Eine inhaltliche Debatte ist anstrengend und muss akribisch recherchiert sein. Jedoch wird der Faktencheck nicht diejenigen überzeugen, die Unwahrheiten verbreiten. Es hat aber einen großen Effekt auf die, die mitlesen und sich so eine Meinung bilden können.
Gemeinsame Werte finden: Sind Hater*innen involviert und es soll dennoch eine sachliche Diskussion erreicht werden, kann das Berufen auf gemeinsame Werte (zum Beispiel das Grundgesetz, Menschenrechte, gesellschaftlich anerkannte Umgangsformen) sinnvoll sein. Auch wenn Leute rechte Inhalte posten oder solche Positionen vertreten, wollen viele keine Nazis sein, beziehungsweise lehnen Nazis ab. Daran kann angeknüpft werden, bspw. durch die Berufung auf Meinungsfreiheit und die Unverletzbarkeit der Menschenwürde, mit dem Ziel, eine sachliche Debatte zu führen.
Ein Faktor für erfolgreiches Countern ist, sich selbst klarzumachen, welches Ziel mit der Gegenrede erreicht werden soll. Daran kann dann die Strategie orientiert werden. Dabei ist auch hilfreich, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen. Was sind die Motive für die jeweilige Hass-Botschaft? Einem Troll muss anders begegnet werden, als einer Person, die rechte Inhalte postet.
Nicht selbst haten: Ganz banal, aber dennoch erwähnenswert. Der Hass in den Kommentaren kann dazu verleiten, selbst ausfällig zu werden und auf einer Ebene mit den Hater*inen zu agieren. Das bringt aber nichts. Hass führt zu mehr Hass. Daher muss das vermieden werden. Also sich nicht dazu hinreißen lassen, andere zu beleidigen, sondern auch einfach mal abwarten, bis die Emotionen runtergekocht sind, um selbst wieder eine sachliche Diskussionen führen zu könne.
Grundregeln definieren: Auf der eigenen Homepage, dem Blog oder der Facebookprofilseite kann natürlich selbst bestimmt werden, welche Regeln gelten. Auch wenn es nicht das effektivste Mittel gegen Hasskommentare ist, kann auf dieser Basis an die Netiquette erinnert, oder Nutzer*innen blockiert werden.
Diskussionsstile benennen: Um andere vor Trollen zu warnen oder darauf hinzuweisen, dass der gegenwärtige Kommunikationsstil andere verletzt, muss Hass im Netz klar benannt werden. Auch die Versuche Diskussionen zu stören, können so entlarvt werden. Auch Themen-Hopping, also das rasche Wechseln von Themen, ohne argumentativ auf die Gegenseite einzugehen, macht Counter Speech schwer und sollte transparent für die Mitlesenden benannt werden.
Sichtbar sein: Ein toller Effekt von Counter Speech ist nicht nur, dass Hass im Netz Paroli geboten wird. Auch stumme Mitlesende, also Menschen, die sich nicht aktiv in die Debatte einbringen, sehen so, dass es auch andere Meinungen gibt und nicht nur Hass grassiert. Die Reichweite von positiven Beiträgen ist oft höher, als gedacht.
Sichtbarmachung: Der Grad an Hass im Netz ist nicht repräsentativ für die Gesellschaft. Im Netz wird überproportional viel Hass produziert. Fragwürdige, verletzende und auch strafbare Kommentare sollten per Screenshot dokumentiert werden. Als Negativbeispiel, aber auch, um nach einer etwaigen Löschung den Kommentar für weitere (rechtliche) Schritte zur Hand zu haben.